Gottes Gaben in deinem Leben
Briefeschreiben ist heutzutage out. Persönliche Briefe werden ersetzt durch Mails, Whatsapps und andere elektronische Möglichkeiten. Interessant zu beobachten ist dabei: Seit handgeschriebene Briefe seltener geworden sind, steigen sie wieder im Wert. Denn sie zeigen den Empfängern: Du bist mir wertvoll, für Dich habe ich Zeit!
Als Paulus seine Briefe schrieb, waren sie mindestens so selten und wertvoll wie heute. Damals hatte es andere Gründe: Man musste Papyrus oder Pergament beschaffen, dazu Feder und Tinte. Nicht jeder konnte schreiben – und es gab keine Post. Man musste einen zuverlässigen Menschen finden, der die beschwerliche, teils gefährliche Reise auf sich nahm und den Brief überbrachte. Wer diesen Aufwand trieb, dem mussten der Empfänger und die Botschaft sehr wichtig sein.
Paulus war die Gemeinde in Korinth wichtig, und ebenso die Geschehnisse an Pfingsten und das damals begonnene Wirken des Heiligen Geistes.
Heutzutage ist Pfingsten für die meisten Menschen eher unbedeutend und vor allem eine Reisezeit. Auch viele Christen tun sich schwer damit. Und mit dem Heiligen Geist erst recht.
Die Bibel berichtet von Pfingsten als dem Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes. Im Heiligen Geist offenbart sich Gott. Nicht zum Anfassen wie in Jesus. Nicht wie in der Natur als Schöpfer. Sondern unsichtbar, aber durch sein Wirken spürbar in seiner ganzen Kraft.
Eine Form seines Wirkens ist, dass er die Gläubigen mit Gaben ausstattet, damit die Kirche Jesu Christi gebaut werden kann. Die Kraft, in der er wirkt, bringt Bewegung und Leben.
Die Pfingstereignisse in Jerusalem waren nur der Ausgangspunkt. Vom Heiligen Geist angetrieben, gingen die Apostel hinaus in die Welt, um dort Zeugnis abzulegen von Jesus Christus, dem Heiland und Retter der Welt. Nicht zaghaft und ängstlich, wie vor Kreuz und Auferstehung, sondern freimütig und mit Hingabe brachten sie die frohe Botschaft unter die Leute. Sie predigten das Evangelium, tauften die Menschen und gründeten christliche Gemeinden.
So kam das Evangelium auch nach Korinth. Korinth, die internationale Hafenstadt in der Antike, war eine Brücke zwischen Ost und West, ein belebter Umschlagplatz für Waren, Ideen und Religionen. Paulus hatte die Gemeinde dort gegründet und eine Zeitlang mit den Korinthern gelebt. Von ihm lernten sie, wie man damals das Leben als Gemeinde gestalten konnte. Das Wirken des Heiligen Geistes erlebten sie als Teil dieses Lebens. Und sie merkten, dass der Heilige Geist sie mit vielen Gaben ausgestattet hat.
Bei Paulus hatten sie gelernt,
- ihre Gaben zu erkennen,
- sich daran zu freuen
- und sie einzusetzen.
Doch als Paulus weitergereist war, ging mit der Zeit einiges durcheinander. In seinem Brief versucht Paulus, nochmals Hilfestellung zu geben. Und er beginnt dabei ganz vorne, mit den Grundlagen.
1. Grundlage:
Die Vielfalt der Gaben
Nehmen wir als Beispiel den Hausbau. Da werden viele Handwerker gebraucht: Maurer, Zimmerleute, Installateure, Elektriker, Gipser, Fliesenleger, Maler und viele mehr. Jeder hat eine ganz bestimmte Arbeit zu verrichten. Alle arbeiten am gleichen Bau. Alle werden gebraucht, so unterschiedlich sie sind. Alle sind gleich wichtig.
In der christlichen Gemeinde ist das ähnlich. Dort wird gemeinsam am Reich Gottes gebaut. Auch hier sind alle gefragt, denn alle haben verschiedene Gaben des Heiligen Geistes bekommen.
»Es sind verschiedene Gaben… verschiedene Ämter … verschiedene Kräfte …«
Wer Jesus Christus nachfolgt, ist beschenkt. Beschenkt mit Gottes Heiligem Geist und seinen Gaben. Es gibt keine unbegabten Jesus-Nachfolger. Damals nicht und heute nicht.
Paulus zählt auf: »Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben, dem andern ein Wort der Erkenntnis … einem andern die Gabe, gesund zu machen … die Kraft, Wunder zu tun, prophetische Rede, die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen.«
Spätestens seit Ende der 1980er Jahre haben sich Fachleute wieder mit dem Thema Gaben in der Bibel befasst. Sie haben Definitionen formuliert und Fragen entwickelt, die jedem helfen können, die eigenen Gaben zu entdecken. Unser Predigttext zählt längst nicht alle Gaben auf. Und aus vielen anderen Bibelstellen lernen wir: nicht alle Gaben versieht die Bibel mit besonderen Namen.
Auch Menschen, die nur begrenzte Möglichkeiten haben, sind begabt. Manche Menschen können z. B. aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr aus dem Haus. Was sie haben, ist Zeit – manchmal mehr, als ihnen lieb ist. Zeit will gut gefüllt sein. Bei der Suche nach Möglichkeiten haben so manche entdeckt, dass sie beten können. Themen für das Gebet gehen wohl nie aus, wenn man in die Welt sieht oder an die Menschen denkt. Gerade jetzt während der Pandemiezeit gibt es Viele, die den Segen Gottes gut brauchen können – im Gesundheitswesen, der Politik, der Kirche oder direkt in der Nachbarschaft.
Wirklich – jede und jeder hat mindestens eine Gabe. Ganz unterschiedliche, vielfältige Gaben. Und: sie müssen nicht spektakulär sein.
Das zeigt auch die
2. Grundlage:
Der Zweck der Gaben
Allen Handwerkern, die an einem Haus bauen, ist klar, dass sie in ihrer Verschiedenheit einem gemeinsamen Zweck dienen, nämlich: dem Bau dieses Hauses. Entscheidend für den Bauherrn ist nachher nicht mehr, wer an diesem Bau gearbeitet hat, sondern wie gearbeitet wurde, dass dieses Haus nun steht und seinen Zweck erfüllt, hoffentlich auch Freude aufkommt und die Handwerker gelobt werden.
Auch die Gaben des Heiligen Geistes in ihrer ganzen Vielfalt dienen einem gemeinsamen Zweck: Dem Aufbau der Gemeinde. Paulus schreibt: »Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller«.
Jesus Christus, der Herr der Kirche, will durch uns sein Reich bauen. Dazu gibt Gott den Heiligen Geist und die entsprechenden Gaben, die dazu nötig sind. Wir sollen sie für das Ganze der Gemeinde einbringen.
Wenn Christen ihre Gaben nicht zeigen und einsetzen, sollte man nach den Gründen schauen. Ein Grund kann sein, dass jemand seine Gabe noch nicht entdeckt hat. Oder dass er oder sie den Wert der eigenen Gabe noch nicht sehen kann. Vielleicht hat auch jemand versucht, seine Gabe einzubringen, und wurde nicht ermutigt, nicht gesehen oder menschlich enttäuscht.
Da sind wir alle gefragt: Sind wir dankbar dafür, in ganz unterschiedlicher Weise zusammen in die Welt hinein zu wirken? Sehen wir uns selbst und die anderen Christen in unseren Gaben? Ermutigen wir einander doch, unsere Gaben einzubringen! Freuen wir uns doch gemeinsam daran und vergessen wir das schwäbische „net g’schimpft isch g’lobt g’nug“! Als sei alles Engagement einfach selbstverständlich.
Eines ist klar: Wo Gaben keinen Raum erhalten, wird das Ziel nicht erreicht. Für jede unserer Gaben gibt es im Reich Gottes eine Aufgabe.
Aber keine Angst: Niemand wird überfordert. Wer seine Gaben sucht, entdeckt: Meine Gabe passt zu mir, zu dem, was ich kann und gerne tue. Es macht Freude, sie einzubringen und darin nicht nur ein Hobby, sondern eine Tätigkeit zu erleben, die mich mehr als ein Hobby erfüllt und auch anderen Freude bringt!
Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Da gibt es Menschen, die regelmäßig für Gemeindeveranstaltungen Kuchen organisieren. Oder die das ganze Jahr über stricken und anderen Menschen damit eine Freude machen. Wieder andere können gut zuhören. Ein Spaziergang zu zweit gibt dann die Chance, einmal der Seele freien Lauf zu lassen. Eine gemeinsame Tasse Kaffee kann die Möglichkeit bieten, dem Nächsten ein tröstendes Wort sagen. Dem einen macht es Freude, die Kirche schön zu schmücken, die andere kann gut eine Gruppe leiten. Wieder andere bringen ihre technischen, musikalischen oder anderweitig kreativen Begabungen ein.
Gottes Phantasie ist grenzenlos, wenn es um diesen einen Zweck geht: seine Kirche geistlich aufzubauen. Bitten wir doch den Herrn der Kirche, dass er uns die Augen öffnet für unsere Gaben und für die Gaben der anderen. Er lädt alle ein, mitzubauen.
3. Grundlage:
Vom Ursprung der Gaben
Es sind verschiedene Gaben, verschiedene Aufgaben und Ämter, verschiedene Kräfte; »aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen«. Alle Gaben, Ämter, Kräfte haben einen Ursprung. Es sind Geschenke des dreieinigen Gottes. Wir Gläubigen sind und bleiben die Empfangenden. Was wir haben, haben wir von ihm. Es geht um ihn und sein Reich. Alle guten Gaben kommen von Gott und sind aus seiner Sicht gleich wertvoll.
Uns scheinen manche Gaben mehr Bedeutung zu haben als andere, aber dieser Eindruck kommt von unseren menschlichen Werten, die wir damit verbinden. Klar ist: Nur wenn alle Gaben an der für sie bestimmten Stelle eingebracht werden, fehlt es an nichts.
Gott hat eine andere Perspektive als wir Menschen. Gerade deshalb ist es wichtig, bei all dem, was wir tun, aller Freude über gutes Gelingen, aller Bewunderung für Menschen mit besonderen Begabungen sich immer bewusst zu machen, dass es nie nur um uns selbst geht. Wir Menschen als Einzelne werden durch unsere Gaben und ihren Einsatz nicht wertvoller. Für Gott sind wir von Vornherein wertvoll, er hat uns wertvoll erschaffen und seine Gaben in uns hineingelegt.
Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.« Wenn wir unsere Gaben einsetzen, sind wir auch füreinander wertvoll, geben Gott die Ehre und gemeinsam anderen Menschen die Chance, Jesus Christus kennen zu lernen und sich ihm anzuschließen. So wird das Reich Gottes gebaut. Und so gewinnt das Pfingstfest wieder neu an Bedeutung.
Amen.
Ihre Ulrike Seibold